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Mensch ärgere dich nicht oder Alles Speiseeis Es muß alles anders werden! Die Zeiten sind andere, die Zeiten sind nicht mehr zeitgemäß. Gemäß der Zeit, die reif ist für Veränderung, haben wir, die wir nicht reif sind für Veränderung, die verkrustete Gegenwart aufzubrechen, um die Zukunft in Krusten zu legen. Neue Spiele für das Volk! In-die-Ferne-Seher zur wundersamen Vorspiegelung von funkelnden Tatsachen, tragbar wenn möglich, ständig verfügbare Zeitkonsumenten, In-die-Ferne-Sprecher (tragbar) als reinigende Wortabfalleimer ohne Mülltrennung mit zwangsweiser und vollständiger Wiederverwertung durch Fern-Wortanhörung und -Weiterverbreitung, In-die-Ferne-Rechner (tragbar) als flunkernde Quer-durch-die-Welt-Verführer, gefangen im Netz, wieder Verwertung ohne Mülltrennung, mündige Spieler finden alles Verwertbare selbst. "Alles tragbar" ist die Devise. Es muß alles anders werden! Die Zeit ist knapp, beim Spielen vergeht sie, wie im Flug. Wir haben die Qual: wenig Zeit und viel Geld, wenig Geld und viel Zeit, wir haben die Wahl: fressen wir die Zeit mit billigem Zeug oder kacken wir das Geld in teures Spiel. Brot ist selbstverständlich, Spiele werden es sein. Neue Zeiten bringen neue Spiele, zeitgemäß. Zeitgemäß wollen wir spielen, nicht ständig diese alten Hüte, Mensch-ärgere-dich-nicht interessiert uns nicht mehr, wir wollen uns doch nicht ärgern! Die Zeit ist knapp! Keine Zeit zum Ärgern, das richtige Spiel zur rechten Zeit. Unserer Zeit gemäß, die so knapp ist, daß wir sie nicht haben, weil wir sie ausgeben wie Geld, das wir nicht haben, weil wir es vergeuden wie Zeit, die wir nicht haben, nicht zum Ärgern haben wir sie, unserer Zeit gemäß haben sich die Zeiten, die Spiele zu ändern. Das Geld, welches wir für Spiele ausgeben, um keine Zeit zu haben, haben wir nach verbrauchter Zeit auch nicht mehr. Wir holen es uns wieder, wir verdienen es uns auch, wir machen es zu Geld, das Spiel, wir denken uns was neues aus: das In-die-Ferne-Fahrzeug mit heimeliger Wohnstubenqualität, dreifachem ZT-Wechsler und fünffach gesichertem Fungenbator, denn Sicherheit geht hoch über das Spiel, sicher wollen wir spielen, Nervenkitzel muß auch sein, nur nicht ärgern, ja kein Ärger, das wollen wir nicht spielen, sicher mit Spannung aber ohne Ärger, das wollen wir spielen, ein voller Erfolg. Machen wir das Spiel zu Geld, dann verbrauchen wir viel Zeit - um so weniger Zeit bleibt zur Vernichtung mit um so teurerem Spiel; um so kürzer die Zeit, um so größer das Vergnügen, garantiert muß es schon sein, garantiertes Vergnügen in nicht garantierter Zeit, mit Geld-zurück-Garantie ohne Zeit-zurück-Garantie, die Zeiten will niemand garantieren, Zeit verbringen wir auf eigene Gefahr. Jetzt aber Schluß mit dem Geschwafel, wir müssen sie ändern, die Zeit muss endlich vergehen, wir brauchens zum Verwenden, nicht immer können wirs verschwenden. Warum nicht politisch werden? Rechte durchsetzen, schließlich haben wir sie doch, unsere Rechte, gerade erst in der Zeitung gelesen, daß die Stimme des Volkes den Paiper erzwungen hat, den Paiper, ja den Paiper, das Speiseeis doch aus den Siebzigern, wird wieder verkauft, im nächsten Geschäft! Warum nicht unsere alten Spiele wieder haben? Petitionen, Demonstrationen, flammende Appelle für den Paiper, hat es alles gegeben! Warum nicht? Freies Wirtschaften setzt freie Menschen voraus, Wirtschaft ist Leben, Leben ist Wirtschaft, Wirtschaft fürs Leben, Leben für die Wirtschaft, Speiseeis fürs Leben, Leben fürs Speiseeis! Wollen müssen wir, motivieren müssen wir uns können, ernst nehmen müssen wir Leben, Wirtschaft, Spiel, unseren Lebensinhalt, das Speiseeis! Auf Gedeih der Wirtschaft und auf Verderb der Langeweile ausgeliefert, das sind wir! Politisch sein, zum Gedeih des Geschäfts unseren Beitrag leisten, diese Freiheit ausüben zur Ankurbelung des Spiels. Darum müssen die Zeiten sich jetzt ändern, wirtschafts- und sachgemäß! Um nicht unterzugehen, übergehen, bald, bald schon sind wir hinüber! Bald, bald schon haben wir die Zeit um die Ecke gebracht, haben keine mehr, keine Zeit, keine Langeweile, keinen Ärger, nur Freude am Spiel! Macht es Spaß, ist es gut, macht es Geld, ist es besser, macht nichts, Macht ist Geld und auch gut, Geld ist Spaß und mehr, haben wir kein Geld, werden wir mit billigem Spiel abgespeist. Wir müssen uns ändern, uns anpassen an die Zeit, die vergeht, müssen auch vergehen, schneller sein: die Schnelligkeit des Seins, kurze Reaktionszeit, auf Veränderungen reagieren, kurzfristig Handeln, Organisationstalente, Managementfähigkeiten, es lebe die Reaktion! Nicht auf die Zukunft warten wollen wir, sondern jetzt den Spaß haben. Handeln, denn zum langen Herumdenken fehlt jetzt die Zeit. Konzepte der Zukunft werden von der Zeit überrollt, nicht nur von Zeit zu Zeit, nachdenken daher nicht möglich, dauert zu lang, das Abenteuer ruft. Der Mensch will denken, immer will er denken, hartnäckig, das Management aber muß lenken! Virtuelles Prickeln für die Abenteurer im Auf und Ab der Aktienkurse, alles dreht und bewegt sich, alles Walzer, alles Spiel. Schnell sein, schnell die Antworten auf alles, die aus diesem endlich erfundenen Uhrwerk schießen: industriell verwaltete Geschwindigkeit statt alter Schwerfälligkeit der Bürokratie, mit der Größe des Verwaltungsapparates und der Kraft der Technologie steigt, dem Phönix aus der Asche gleich, exponentiell die Geschwindigkeit, das Perpetuum Mobile gibt es, es gibt es also doch! Das atemberaubende Tempo bürokratischer Abläufe beeindruckt, erspart uns endlich das ständige Mitdenken, der Rausch der Geschwindigkeit erfaßt uns, das Knallen der Schnellschüsse, die manchmal mit überraschender Präzision direkt aus der Hüfte heraus treffen, oft zwar das Falsche, das aber schnell und vordergründig, effektiv ohne überflüssige Korrekturmöglichkeit, hinterhältig und nachhaltig, die Zeit fehlt, sie muß sich ändern, zum Wunden Heilen fehlt ihr die Zeit. Überstürzen und umstürzen, die Selbstreproduktion des Produzierten, je mehr Zeug einer hat, um so mehr Spiel kann er damit machen. Alles Spiel, das ist die Regel, alles Leben ist Spiel, Stellungssspiel um spieleentscheidende Positionen im die Spielproduktion managenden Verwaltungsspielapparat stärkt uns für das Spiel. Es muß alles anders werden! Von den nagenden Gedanken freigespielt, streben wir die ständige und ununterbrochene Beschäftigung mit dem Spiel an, im Spiel gehen wir auf, mit dem Spiel leben wir. Eine neue Welt des Spiels müssen wir leben, leben wir sie nicht, müssen wir sie spielen, spielen wir das Spiel, spielen wir Spielen, spiele in der Zeit, dann hast du keine Not, spielst du, also bist du, die Leichtigkeit des Spiels läßt uns das Sein vergessen, lösen wir uns vom Sein, stehen wir auf, Auferstehung. Alles Speiseeis! | |
(2000/2004)
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